Mittwoch, 31. Juli 2019

Es kommt immer anders als man denkt - 110 km und das (vorlaeufige) Ende der Tour

Liebe Radsportfreunde, 

Nein, ich bin nicht ganz schnell gefahren und jetzt schon in Irkutsk. Ich bin leider unvorhergesehen Umständen zum Opfer gefallen und sitze jetzt schwer enttäuscht im Hotel in Krasnoyarsk. Doch der Reihe nach. In der Frueh ist es sehr neblig, aber ich mache mich nach einer gemuetlichen Nacht im Hotel frohgemuts auf den Weg. Der Wind hat gedreht, das Radl läuft gut und ich habe schnell die erste Pinkelpause nach 40km erreicht. Danach sind 60km Niemandsland, kein Kafee, keine Tankstelle, nada. Egal, ich habe genug dabei und heute läuft es super. Ich wundere mich nur etwas das heute fast überhaupt kein Verkehr ist. Um 1230 habe ich 100 km geschafft und komme an das Ende eines kilometerlangen LKW Staus. Ich fahre an den stehenden LKW vorbei und nach ca 5km steht die Polizei an einer Raststätte. Die interessieren sich aber nicht für mich sondern halten nur alle Autos und LKW auf, die müssen stehenbleiben und warten. Nur einige wenige LKW und Autos dürfen weiterfahren. Mir kommt das etwas komisch vor aber ich gehe jetzt erstmal Mittagessen. Im Kaffee wundere ich mich das es kein Internet mehr gibt, wahrscheinlich wird die Bandbreite von den wartenden LKW Fahrern aufgebraucht. Wie ich gemütlich meine Suppe esse sehe ich in den russischen Nachrichten Berichte von Überflutungen. Ich beachte das zunächst nicht weiter - in der Irkutsker Region gab es vor einem Monat grössere Flutkatastrophen mit 25 Toten, aber das ist vorbei und die jetzigen Überflutungen sind in der Amur Region, viel weiter östlich. Wie ich bei der zweiten Wiederholung der Nachrichten genauer hinschaue ist aber eindeutig von Irkutsk Oblast die Rede. Hmm, vielleicht halten die deshalb alle Autos an? Ich logge mich ins WIFI des Kaffees ein und sehe in den russischen Nachrichten dass es seit gestern in Tulun wieder schwere Überflutungen gibt. Die Strasse ist gesperrt, der Fluss hat einen Pegel von 11 Metern (ab 7 Meter ist Hochwasser). Mehrere hundert Häuser sind überflutet, und einige Brücken. Ich frage die beiden Polizisten die den Verkehr anhalten wie die Situation ist. Die beiden sind sich uneinig. Der jüngere meint die Situation in Tulun sei sehr schlimm, und die Strasse nicht passierbar. Der ältere meint es würde schon gehen und ich soll weiterfahren, die Strasse ist passierbar. Also fahre ich weiter. Allerdings kommt es mir etwas komisch vor dass fast kein Auto weiterfährt, die einzigen Wagen die mich überholen sind entweder erkennbar vor Ort (bis Tulun sind es noch ca 180 km) oder Einsatzfahrzeuge. Ich fahre noch 10km weiter bis doch die Angst (oder die Vernunft) siegt. Wenn schon die sehr risikofreudigen Russen nicht weiterfahren ist es vielleicht nicht die beste Idee mit dem Radl da durchzufahren. Ich könnte zwar notfalls immer umdrehen, mache mir aber über die Versorgungslage und Seuchengefahr schon etwas Sorgen. Und ich will nicht unbedingt als Radtourist durch ein Katastrophengebiet fahren. Also - ich fahre das naechste mal weiter, better safe than sorry. 

Ich fahre wieder ein Stück zurück bis mehr Verkehr ist und mache Autostopp. Es halten viele nette Autofahrer an, aber die fahren meistens nur lokal, oder sie Autos sind voll. Irgendwann hält ein grosser LKW - der Fahrer würde zwar nach Krasnoyarsk fahren, aber der LKW ist voll. Er verspricht aber per Funk die Kollegen zu informieren, der naechste freie nimmt mich dann mit. Davor kommt jedoch ein junger Russe mit einem alten Auto. Er nimmt mich mit - er fährt zu seiner Freundin nach Taishet. Im Auto hat er rote Luftballons, die Freundin war gerade in Sochi und er holt sie in Taishet ab. Er ist Lokomotivführer und sehr nett. Wir fahren nach Taishet und unterhalten uns gut. Er ruft mir ein Taxi in Taishet dass mich die 490 km nach Krasnoyarsk fährt. Das ist in Russland nicht teuer - kostet 85 Euro. Er hält sogar noch extra am Bahnhof und kauft mir ein Souvenir von Taishet. Vielen herzlichen Dank. Ich revanchiere mich und lade ihn und seine Freundin schön zum Abendessen ein (ohne mich :)). Nach 5 Stunden Fahrt kommen wir dann in Krasnoyarsk an. Ich bin ziemlich fertig und total enttäuscht, ich hatte mich so auf die Tour gefreut. Es war jedoch sicher die richtige Entscheidung, in den nachrichten lese ich dass die Situation schlimmer geworden ist und am Donnerstag weiterer Regen erwartet wird. Die Strasse ist jetzt einige Kilometer überflutet und komplett gesperrt. Ausweichrouten gibt es nicht - das ist ja auch die einzige Strasse durch Sibierien. Also sehe ich das ghanze mit einem lachenden und einem weinenden Auge - froh dass ich nicht in Tulun vor der überfluteten Strasse stehe, aber trotzdem total entäuscht dass ich dieses Mal nicht weiterfahren konnte. Aber - the road continues, ich fahre sicher weiter und freue mich jetzt schon weider auf die Fortsetzung der Tour. In diesem Sinne, euer leo 


Start am Morgen - gut gelaunt und ready to go 





Es hat sehr dichten Nebel - allerdings ist der nach einer Stunde wegen der Sonne verschwunden 



50 km Stop 



Ich wundere mich warum die Strasse so leer ist 




The end of the road for this year :((


LKW Stau wegen der Flut - mehere Kilometer lang. Die LKW Fahrer die nach Irkutsk müssen haben keine Wahl, die muessen hier vielleicht mehrere Tage warten. 




Mein Retter :) - leider habe ich seinen Namen nicht 



Wieder sicher im Hotel in Krasnoyarsk 



Screenshot der russichen News :((( 










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